17.
Michael McLain hatte die Fotos von Sharleen bereits Sy übergeben. Als nächstes schickte er Sy das Videoband von Jahne Moore und ihm. Doch Michael wußte, daß er entweder bald mit Lila schlafen oder eine Fotomontage herhalten mußte, damit er weder sein Gesicht noch seine Vorrangstellung vor Ricky Dunn verlor.
Immerhin waren die beiden anderen Beweise legitim. Also machte es nicht viel aus, wenn der dritte Beweis gefälscht war.
Dennoch hinterließ das ganze Unternehmen bei Michael ein flaues Gefühl. Nicht daß er Gefühle für Lila oder Sharleen aufbringen würde. Doch Jahne hatte er gemocht. Sie war klug und besaß Humor. Er hatte indessen gemerkt, daß sie entweder nicht in ihn verliebt war oder ihr nicht allzu viel daran lag, ihm zu gefallen. Dazu kamen die Narben. Sie waren gespenstisch und gleichzeitig so geheimnisvoll, daß sie schon fast erotisierend wirkten. Michael glaubte keine Sekunde daran, daß sie die Folge eines Unfalls waren. Dafür verliefen sie zu gerade und befanden sich an den falschen Stellen. Offenbar hatte sie sich also plastischer Chirurgie unterzogen. Doch ein Mädchen dieses Alters ist eigentlich zu jung für solche Operationen.
Er krauste die Stirn — und glättete sie sofort wieder. Die Frage lohnte keine zusätzliche Kollagenbehandlung. Er konnte Jahne Moore natürlich fallenlassen. Kein Problem. Doch dann sollte er sich auf Lila konzentrieren. Zumindest muß er es Sy irgendwie beweisen, daß sie miteinander ausgingen.
Sie benahm sich komisch. Einerseits lag ihr mit Sicherheit nichts an ihm, andererseits bemühte sie sich, nett zu sein. Michael kannte das und vermutete, daß sie, wie die meisten Frauen dieser Art, seine Hilfe oder seinen Einfluß brauchte. Allerdings schien sie nicht bereit zu sein, für den Gefallen, den sie verlangte, auf die übliche Weise zu zahlen. Michael war versucht, sie mit zwei Ködern zu locken: Einer Rolle in Birth of a Star und dem Ricky-Dunn-Film. Sie schien an beidem interessiert zu sein.
Jahne saß in einem großen Sessel ihrer Suite in Regent Beverly Wilshire Hotel. Hier wohnte sie vorübergehend, bis ein neues Haus für sie gefunden und von La Brecque als sicher genug genehmigt worden war. Es war ein Luxusappartement. Das Telefon neben ihr war eines von sechs in den zwei riesigen Zimmern. Ein Apparat stand auf dem Schreibtisch, einer je auf den beiden Nachttischen und einer im Badezimmer, das so groß war wie Jahnes ganze Wohnung in New York.
Sy rief an und teilte ihr mit, daß die Nominierungen für den »Fernseh-Oscar«, den Emmy Award, veröffentlich worden waren. Die Auszeichnung wurde von der Academy of 'Television Arts and Sciences verliehen. »Wie haben wir denn abgeschnitten?« fragte Jahne. Inzwischen hatte sie kaum noch Respekt vor den Auszeichnungen der Filmindustrie, für die die Schauspieler und die Crew von Three for the Road so hart gearbeitet hatten. Es war alles nicht das gewesen, was sie sich erhofft hatte.
»Haben sie das denn noch nicht gehört? Sie wurden nominiert.«
»Ich? Das kann doch nicht wahr sein!« Jahne dachte an ihre Tage mit Jack and Jill und die Obie-Auszeichnung, die sie für ihre schauspielerische Leistung erhalten hatte. Sie war von ihren Freunden damals gefeiert worden. Auch von Sam. Seinerzeit hatte sie noch an eine rosige Zukunft geglaubt.
»Und was ist mit der Serie und den anderen?« fragte sie.
»Vergessen Sie die Serie, Jahne. Vergessen Sie die anderen. Sie wurden für einen Emmy nominiert. Nach sechs Monaten beim Fernsehen. Ahnen Sie, was das für Ihre Karriere bedeutet? Vielleicht bekommen Sie die Auszeichnung. Wir werden von Angeboten nur so überschwemmt werden.« Jahne zuckte innerlich zurück. Sie hatte Sy von den Testaufnahmen für Birth of a Star erzählt. Auch von dem Rollenangebot. Sie hatte nicht gesagt, daß sie entschlossen war, die Rolle zu spielen. Denn dann hätte er nur versucht, ihr das auszureden.
»Ich bin für die Anerkennung dankbar, Sy. Wirklich. Aber man ist immer nur so gut, wie man in seiner letzten Rolle war. Sie kennen ja den Spruch.« Jahne lachte. »In ein oder zwei Jahren werde ich Sie vielleicht um eine Rolle anbetteln.«
Nun lachte Sy sogar. »Sie sind sehr zynisch für eine so junge Frau.«
»Weil ich die Perspektive nicht verlieren will.«
»Hoffentlich sieht das Sharleen auch so. Sie wurde nämlich auch nominiert.«
»Wir beide?«
»Ja, und Lila.«
Typische! Als würden nicht schon genug Geschichten über den Konkurrenzkampf untereinander kursieren. Hollywood! Nun mußte man damit rechnen, daß die Stimmung bei den Dreharbeiten noch gespannter wurde.
»Sagen Sie, Sy, haben Sie sich den Vertrag von Birth of a Star angesehen?«
»Ich habe drei bessere Angebote für Sie.«
»Vergessen Sie die, Sy. Haben Sie den Vertrag?« »Ja.«
»Gut. Nur das interessiert mich, weil ich den Film nämlich machen möchte. Sagen Sie nichts mehr. Werden Sie jetzt Sharleen anrufen und ihr die gute Nachricht überbringen?«
»Ja.« Jahne merkte, daß Sy vor Frust kochte.
»Gut. Dann rufe ich sie später an und gratuliere ihr.«
Doch bevor sie den Vorsatz in die Tat umsetzen konnte, klingelte das Telefon erneut. Jahne ließ fast den Hörer fallen, als sie Sam Shields Stimme hörte.
»Herzlichen Glückwunsch.«
»Die Nachrichten verbreiten sich hier schnell«, meinte sie. »Wie werden Sie feiern?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Möchten Sie nicht am Freitag mit Ihrem Regisseur zu Mittag essen?«
»Nein«, neckte sie ihn. »Ich esse nicht gern mit Marty.«
Er lachte. »Ich meinte Ihren Filmregisseur. Haben Sie den Vertrag unterschrieben?«
»Bis dahin sicher«, versprach sie.
»Großartig. Dann haben wir gleich zwei Anlässe zum Feiern. Freitag im Getty-Museum, okay? Paßt Ihnen ein Uhr?«
In New York hatte Sam sich auch mit Vorliebe in den Cafeterias der Museen verabredet. Das kostete nicht viel, und die Umgebung war meist geschmackvoll, obwohl das Essen zu wünschen übrig ließ. Jahne stimmte dem Termin zu.
Sharleen legte nach dem Telefongespräch mit Sy auf.
»Was hast du denn, Sharleen? Du siehst aus, als wäre was passiert«, sorgte Dean sich.
»Nichts passiert, Dean. An sich ist es sogar eine gute Nachricht. Ich wurde für den Emmy nominiert.«
»Ach.« Er wartete, daß sie weitersprach.
»Wenn das Momma wüßte. Sie würde sich richtig freuen, glaube ich.«
Dean nickte und pfiff seine Hunde herbei — Cara, Crimson und Clover. »Sharleen hat einen Preis gewonnen«, sagte er und klatschte. Die drei Hunde setzten sich auf die Hinterläufe und klopften mit den Pfoten aneinander, als spendeten sie Beifall. Das war ein neuer Trick, den Dean ihnen beigebracht hatte. Sharleen lächelte. Dean schaffte es immer, sie aufzuheitern.
»Ein Preis ist es noch nicht. Aber Sy meint, das würde mir helfen, danach einen Job zu bekommen.«
»Wieder einen? Du hast doch gesagt, wir hätten jetzt so viel Geld, daß du nie wieder arbeiten mußt.«
Sharleen dachte darüber nach. »So klingt das nicht, wenn es Mr. Ortis erklärt. Die Steuern und Honorare — all das geht ins Geld. Ich will ohnehin noch eine Rolle haben, und dabei, meint Sy, würde mir die Nominierung helfen,«
»Was ist eine Nominierung?«
Sharleen versuchte Dean zu erklären, was sie selbst nicht richtig verstand.
»Wer wurde außer mir nominiert?« fragte Lila sofort scharf, nachdem Ara sie informiert hatte.
»Lila, das ist doch nicht so wichtig. Immerhin wurden Sie nominiert«, wich Ara aus.
»Das ist nur eine Nominierung, Ara.« Wie hatte ihre Mutter gesagt? Eine Nominierung ist wie die letzten zehn Sekunden in einem Match, das unentschieden steht. Nur der letzte Treffer zählt.
Ara versuchte gar nicht, das Seufzen zu unterdrücken. »Sharleen Smith und Jahne Moore.«
»Das soll doch wohl ein Scheißwitz sein, Ara! Diese beiden Kretins? Diese Nobodys? Die spielen mir doch nur zu. Strohpuppen wie Candy und Skinny. Die sind meine Konkurrenz?« Lila schrie. Ihre Stimme überschlug sich.
»Nun spielen Sie nicht verrückt. Es gibt keine Konkurrenz, Lila«, besänftigte Ara sie. »Sie werden doch einsehen, daß die Akademie vor einer schweren Entscheidung steht, wenn sie eine von euch dreien aussuchen soll.«
»Ich sehe gar nichts ein, Ara. Ich habe mir den Arsch aufgerissen, um Schauspielerin zu werden. Das war nicht leicht als Tochter einer Berühmtheit auf diesem Gebiet. Ich müßte doppelt so hart arbeiten wie die anderen, um das zu erreichen. Diese beiden Huren kommen aus dem Nichts und schaffen das über Nacht. Das ist doch ungerecht, Ara. Und was ist mit Birth of a Star? Haben Sie noch nichts gehört?«
»Soweit ich gehört habe, sind die noch nicht sehr viel weitergekommen, Lila. Das Drehbuch macht Schwierigkeiten. Ihr Test ist aber gut gelaufen. Momentan können Sie nichts mehr tun wegen der Emmys oder wegen Birth of a Star.«
Lila knallte den Hörer auf die Gabel.